Hinter Gittern – Ein Tag im Jugendgefängnis
Von L, M,F- Schülerinnen und Redakteurinnen der hallorefik!
Die massiven Türen der Jugendstrafanstalt Plötzensee schlagen mit einem dumpfen Knall hinter uns zu. Ich fühle mich wie in einer anderen Welt. Gemeinsam mit Frau Gomer, Herrn Poplawski und meinen zwei Mitredakteurinnen und einer Lehrerin und Herr Poplawski aus dem Ganztag hatte ich mich Wochen zuvor angemeldet, die Erlaubnis der Eltern eingeholt, und heute war es so weit. Doch schon die Sicherheitskontrollen setzen klare Grenzen: Handys und Ausweise abgeben, eine endlose Abfolge von Türen, die sich nur langsam öffnen, wenn die vorherige verschlossen ist. Ein beklemmender Vorgeschmack auf ein Leben hinter Mauern.
Im Inneren wurden wir von einer ungewöhnlichen Gesprächsrunde empfangen: drei junge Männer (17, 19 und 21 Jahre alt), die hier einsitzen, zwei Lehrer und eine Juristin. Wir setzten uns an einen großen Tisch, und es war erstaunlich, wie schnell sich die anfängliche Unsicherheit in Neugier wandelte. Die Jungs wirkten offen, höflich – ganz anders, als ich erwartet hatte.
Besonders faszinierend: Die drei Insassen gestalten gemeinsam mit anderen einen eigenen Podcast namens 2/3 FM, der auf YouTube zu hören ist. Der Name erklärt sich aus einer besonderen Regel: Wer sich vorbildlich verhält, kann zwei Drittel seiner Strafe absitzen und früher entlassen werden. "Das motiviert sehr", erzählte uns einer der jungen Männer, der seit fast vier Jahren hier ist und noch drei Jahre vor sich hat.
Wir durften nichts zu ihren Straftaten fragen – ein verständliches, aber zunächst ungewohntes Gesprächslimit. Stattdessen erzählten sie von ihrem Alltag, von den Schwierigkeiten, sich in einer Umgebung zurechtzufinden, in der Vertrauen selten ist. "Hier ist jeder für sich", sagte einer. Besuche gibt es nur zweimal im Monat für zwei Stunden, und diese sind emotional intensiv. Ein anderer berichtete von der schwierigen Beziehung zu seinem Vater, der ihn lange Zeit beschimpft und nicht mal angeschaut habe. Heute sei der Kontakt besser, sie können mittlerweile über alles reden und er selbst habe seine Ziele geändert: "Ich möchte Journalist werden. Vielleicht sogar einen eigenen Podcast machen – außerhalb."
Die Gespräche mit den Insassen zeigten uns aber auch die Härte des Lebens in der JSA. Eine Einzelzelle, ständiger Begleitschutz durch Beamte und ein straffer Alltag mit Arbeit und Schule, der schon um Uhr morgens beginnt, bestimmen die Tage. Am Abend gibt es Sport AGs, die etwas Abwechslung in den Tag bringen. “Kein Handy, kein Internet ist erlaubt, nur Fernsehen. Immer dieselben Programme. Nach ein paar Jahren merkt man, dass es sich immer wiederholt und nichts Neues kommt”, lacht einer der Jungen.
Spaß und Freude sind hier eher selten. Doch genau dieser strenge Ablauf scheint einigen am Ende doch etwas zu helfen: Die drei Jungs, die wir trafen, haben klare Pläne. Einer möchte Sozialarbeiter werden, ein anderer Mediator, um Kindern und Jugendlichen eine bessere Perspektive zu bieten. Sie wollen zurück in ein Leben, das sie sich selbst neu aufbauen.
Ein Thema, das uns besonders beeindruckte, war der Umgang mit Freundschaften. "Hier merkt man schnell, wer deine echten Freunde sind", sagte einer. "Und draußen werde ich alte Bekanntschaften um jeden Preis vermeiden." Diese Entschlossenheit zeigte, dass sie nicht nur ihre Fehler erkannt hatten, sondern auch fest entschlossen waren, nicht in alte Muster zurückzufallen.
Am Ende hatten wir nicht nur spannende Einblicke, sondern auch konkrete Pläne: Gemeinsam mit 2/3 FM könnten wir von der Schülerzeitung einen Podcast aufnehmen. Und die Idee, dass ehemalige Insassen später als Mediatoren an unsere Schule kommen könnten, klang nach einer echten Win-win-Situation.
Wir verließen die Anstalt mit gemischten Gefühlen: einerseits der Bewunderung für die Kraft, die diese jungen Männer entwickeln, um sich zu ändern, andererseits mit einem beklemmenden Eindruck davon, wie wertvoll Freiheit ist. "Unfreiheit ist das Härteste", sagte einer von ihnen. Nach diesem Besuch sehe ich das mit neuen Augen.